„Words can change the world“ – gesprochenes vs. geschriebenes Wort

“Ein vom Autor-in verlesenes Manuskript – und sei es noch so funkisch geschrieben – kann niemals das leisten, was freies Sprechen bewirkt, weder bei den Sprechenden noch bei den Hörer-innen.
Gesprochene Sprache hat ihren eigenen Wert. Sie unterscheidet sich durch Abbrüche, Wiederholungen, umgangssprachliche Formulierungen, Untertöne und vieles mehr so sehr von der verlesenen Sprache, wie es kaum möglich erscheint. Gesprochenes kann sich geschrieben ganz wirr lesen, obwohl es beim Zuhören völlig sinnvoll wirken kann.
Der wichtigste Unterschied zwischen Gesprochenem und Geschriebenem ist wohl, dass das Geschriebene viel mehr auf das Rationale reduziert ist. Geschriebenes ist weitgehend von der gefühlsträchtigen Zwischenebene (= Meta-Ebene), die die spontane Sprache so spannend macht, befreit. Dabei ist nicht einmal bedeutsam, dass vieles, was im Gesprochenen mitschwingt, gar nicht bewusst angesprochen wird oder nur unbewusst seine Wirkung tut. Es ist einfach da und hat seine Folgen.

Aus:
Carmen Thomas
„Hallo Ü-Wagen – Rundfunk zum Mitmachen, Erlebnisse und Erfahrungen“
Liste Verlag (1. Edition, 1. Januar 1984)
252 Seiten
ISBN-10: ‎ 3471789170

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